Sie alle zählen zu einem (normierenden) Kanon der Weltliteratur im genannten, kanonisch-qualitativen Sinne. Doch das Projekt Neue Weltliteratur bezieht sich auf eine zweite Lesart, die im frühen 19. Jahrhundert erstmals von Johann Wolfgang von Goethe in seinen Überlegungen zur „Weltliteratur“ etabliert worden ist – nämlich Literaturen aller Länder und Kontinente, die sich gegenseitig bedingen und beeinflussen, einander den Spiegel vorhalten und sich kritisieren. So heißt es in einer der letzten Äußerungen des späten Goethe zur Weltliteratur unter dem Datum 5.4.1830:
[…] daraus nur kann endlich nur die allgemeine Weltliteratur entspringen, daß die Nationen die Verhältnisse aller gegen alle kennen lernen und so wird es nicht fehlen daß jede in der andern etwas Annehmliches und etwas Widerwärtiges, etwas Nachahmenswerthes und etwas zu Meidendes antreffen wird.
(WA I, 42.2, S. 505; zit. nach Hendrik Birus: Goethes Idee der Weltliteratur. Eine historische Vergegenwärtigung, in: Weltliteratur heute. Konzepte und Perspektiven, hg. von Manfred Schmeling, Würzburg: Königshausen & Neumann, 1995 [= Saarbrücker Beiträge zur vergleichenden Literatur- und Kulturwissenschaft; Bd.1], S. 5-28, hier S. 15.)
Dank großzügiger Buchschenkungen konnte bereits eine umfangreiche Sammlung an Werken der Weltliteratur angelegt und katalogisiert werden, wobei die systematisierende Aufstellung nach Kontinenten und Ländern erfolgte. Gemeinsam mit Studierenden der Neueren deutschen Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik wird der Bestand sukzessive gesichtet und hat auch bereits als fruchtbare Grundlage für wissenschaftliche Arbeiten gedient. Als theoretisch-methodologische Grundlagen, die für die Diskussion um eine „Neue Weltliteratur“ aus unserer Sicht von besonderer Bedeutung sind, dienen hierbei einerseits die (traditionellen Konzepte der) Rezeptionsästhetik und der Wirkungsgeschichte, anderseits die Postkolonialen Studien im Anschluss an die Konzepte Edward W. Saids, Homi K. Bhabhas und Gayatri Spivaks, sowie Modellierungen des literarischen Felds im Anschluss an den französischen Literatur- und Kultursoziologen Pierre Bourdieu innerhalb der literarischen Institutionenkunde (vgl. hierzu zuletzt: Norbert Otto Eke / Stefan Elit [Hrsg.]: Grundthemen der Literaturwissenschaft: Literarsche Institutionen, Berlin/Boston: de Gruyter, 2019).
Für weiterführende und detaillierte Informationen zu den Projektzielsetzungen und -verantwortlichen innerhalb des Projekts „Neue Weltliteratur“ besuchen Sie bitte die offizielle Projektwebsite: https://kw.uni-paderborn.de/institut-fuer-germanistik-und-vergleichende-literaturwissenschaft/neuere-deutsche-literatur/hofmann/