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April 2022

Die revolutionären und didaktischen Erneuerungen innerhalb der deutschen Sprache anhand Abbas Khiders Sachbuch Deutsch für alle: Das endgültige Lehrbuch: Ein Trostbuch für alle Deutschlernenden

von

Imen Taleb, M.A.

 

„Das Leben ist zu kurz, um Deutsch zu lernen“, so lautet ein Sprichwort und manchmal ertappt man sich auch selbst bei einem Sprachfehler. Viel komplizierter ist es für denjenigen, der Deutsch als Fremdsprache lernen muss. Mein Beitrag beschäftigt sich mit dem irakisch-deutschen Autor Abbas Khider und dessen Sachbuch zum Thema der deutschen Sprache.

Die deutsche Gesellschaft wandelt sich seit Jahrzehnten und insbesondere nach den großen Wellen arabischer Flüchtlinge im Jahr 2015 mehr und mehr zu einer multikulturellen Gesellschaft. Diese Multikulturalität spiegelt sich auch in der deutschen Sprache wider. Wie gehen die Migranten mit der fremden Sprache um? Vielleicht ist das erschienene Sachbuch Deutsch für alle: Das endgültige Lehrbuch (2019) von dem irakisch-deutschen Autor Abbas Khider eine Frucht solcher enormen Veränderungen und zeigt, wie der Autor auf die Sprache reagiert und sie innerhalb der Sprache reflektiert. Abbas Khider ist selbst ein Migrant, das heißt, er ist ein Teil der in der deutschen Gesellschaft lebenden arabischen Migranten. Er kam im Jahr 2000 nach Deutschland und sagt: „Und seit ich die deutsche Sprache kenne, träume ich auch nicht mehr davon, die Sprache zu verändern. Ich habe hier nur noch ein Ziel im Leben: „Ich will diese Sprache erneuern und dabei meine linguistischen Traumata bewältigen.“ (S.26) In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Absicht des Autors und zwar: Was sind die Hauptprobleme der deutschen Sprache, die zur Erneuerung und Reformierung der deutschen Spracheführen?

Khiders Ziel besteht darin, ein Deutsch zu entwickeln, das alle lernen können. Nach seiner Ansicht soll die deutsche Sprache vereinfacht und für alle zugänglicher gemacht werden. Dann würde es auch mit der Integration klappen. In seinem Sachbuch sammelt und begründet er detailliert seine Änderungsvorschläge, was übrigens unter Deutschlernenden nicht selten vorkommt. Neben seinen Überlegungen zur Komplexität der deutschen Sprache lässt er auch viele seiner eigenen Erfahrungen einfließen.

Wer ist Abbas Khider?

Abbas Khider wurde 1973 in Bagdad geboren und dort als Neunzehnjähriger wegen politischer Aktivitäten verhaftet. Er floh 1996. Bevor er im Jahr 2000 nach Deutschland kam, war er als illegaler Flüchtling in verschiedenen arabischen und europäischen Ländern unterwegs. In seiner irakischen Heimat wurde ihm seinerzeit ein Studienfach zugewiesen, viel lieber hätte er jedoch Literatur studiert. Das holte Khider in Deutschland nach, nur musste er erst einmal – logisch – die Sprache so gut erlernen, dass er an die Universität konnte. Dort belegte er die Fächer Komparatistik und Neuere Deutsche Literatur sowie Philosophie.2008 erschien sein Debütroman Der falsche Inder, darauf folgten weitere preisgekrönte Titel. In seinen vorherigen vier Büchern hat er von Gefängnishaft und Folter im Irak erzählt oder den bürokratischen Irrsinn des Asylverfahrens beschrieben. Jetzt hat er eine Art Sprachlehrbuch geschrieben. Aber „[als er] in der Bundesrepublik ankam, kannte [er] nur drei deutsche Wörter: Hitler, Scheiße und Lufthansa.“ (S.11) So lautet der Anfang seines liebsten Kapitels in seinem neuen Buch. Deutsch für alle: Das endgültige Lehrbuchgilt als sein erstes Sachbuch, ein Trostbuch für alle Deutschlernenden und deren Angehörige, für Einwanderer und Menschen in mehrsprachigen Liebesbeziehungen und es ist ein herrliches Handbuch für alle, die glauben, die deutsche Sprache bereits zu kennen und Spaß an ihr haben.

Die revolutionären und didaktischen Erneuerungen innerhalb der deutschen Sprache

Nach vier Romanen hat Abbas Khider einen humorvollen Ratgeber darüber geschrieben, wie man die deutsche Sprache reformieren und erneuern könnte, um Nicht-Muttersprachlern den Schrecken vor dem Deutschen als Fremdsprache zu nehmen. Khider schlägt in seinem Buch eine wagemutige Reform der deutschen Sprache vor. Für ihn ist die deutsche Sprache ein Ungeheuer, er bezeichnet sie als Bestie: „Irgendwann schaffte ich es, etwas gegen einen großen Teil dieser Bestien zu unternehmen“(S.13), erzählt Khider und fügt hinzu: „Mit der Geduld von 200 Kamelen habe ich mich durch die Sahara des Sprachelernens geschleppt. Doch die Umlaute – Ä, Ö und Ü – haben es bisher geschafft, sich meiner Kontrolle zu entziehen“(S.14). Deshalb findet er, dass die Umlaute weg müssen, „um [nicht] schneller herauszufinden, wer ein Inländer und wer ein Ausländer, wer ein Urbewohner und wer ein Neubewohner ist“ (S.21). Im Bereich der Präpositionen und der Deklination findet Khider eine Trockenheit und Störung in der deutschen Sprache. Den trockenen Aspekt der Sprache vergleicht er „wie einige Gesichter der inländischen Politiker“ (S.27).

Khider will einen einheitlichen Artikel für alle Wörter. Weil es schlicht nicht logisch erklärbar sei, warum es „das Mädchen“ und nicht „die Mädchen“ heißt. Dabei ist ein Mädchen doch ganz eindeutig weiblich! Künftig soll es kein „der, die, das“ mehr geben, sondern nur noch „de“. „De Mädchen“ ist doch ganz einfach. Auch auf Artikelebene sieht er also einen Reformbedarf. Aus „der, die, das“ macht Abbas Khider „de“, das ist sein „Neudeutsch“ (S.94). Anstatt einer „Deklinations-Foltermethode“ (S.41). Nach der Auffassung Khiders ist die Deklination „keine grammatische Notwendigkeit, sondern eine Krankheit, das ist Sadismus.“ (S.41)

Ferner will Khider, dass alle „trennbaren Verben“ untrennbar werden. Es heißt also ab sofort „er aufwacht“ statt „er wacht auf“ (S.109). Die Wortstellung soll in Nebensätzen so sein wie in Hauptsätzen, also kein ewig nach hinten geschobenes Verb mehr. Auch trennbare Verben stellen Nicht-Muttersprachler vor große Probleme: „Warum heißt es: ‚Das Kind steht auf‘? Warum steht das ‚auf‘ da? Warum trennen sich die Dinge in der deutschen Sprache? Ist es nicht genug, dass wir so viele Alleinerziehende in der Gesellschaft haben? Ich mache das für die Familie in der deutschen Gesellschaft: Alle Verben müssen untrennbar werden!“ Unregelmäßige Verben haben keine Chance mehr. Künftig heißt es „schwimmen, schwimmte, geschwimmt“ (S.100).

Khiders Sachbuchs fungiert als neues Projekt für die Entstehung eines „Neudeutsch“. Mit der Veränderung der Struktur der deutschen Gesellschaft strebt Khider nach einer Erneuerung der deutschen Sprache, die zugänglich für alle ist.

Khider, Abbas: Deutsch für alle. Das endgültige Lehrbuch. München: btb Verlag 2020.

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